Leben 2.0 und davon (endlich) Teil 2
there are moments when everything changes. and you know it. you want to close your eyes and make it go back to how it used to be. but you know in your heart that it won’t. things are different now. you are different now. and the world that was – isn’t anymore.
Topher Kearby
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Irgendwann letzte Woche:
Gerade sitze ich am Ufer der wunderschönen Erlauf und lausche der wunderschönen Musik von Sophie Lindinger…
Ich habe meinen Block und meine Notizen vom letzten Jahr dabei und mir vorgenommen endlich den zweiten Teil des Eisenwurzenweg Blogs zu schreiben. Was mir seltsam schwer fällt.
Wenn ich mir mein Geschreibsel, das ich im Laufe des letzten Jahres so niedergeschrieben habe durchlese kommt mir vieles schon so weit weg vor. Fast muss ich manchmal ein bissl lachen über mich selber, manchmal schreckt’s mich aber auch. So eine Trennungsverarbeitung mit all ihrer Trauer, Verdrängung, Wut und diversen Ängsten lässt einen die wildesten Gedanken zu Papier bringen. Aber auch viel Hoffnung, Mut und Neugier entdecke ich da!
Aber eigentlich will ich euch ja noch was erzählen…
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Rückblickend betrachtet hat sich nach Überquerung der Donau irgendwie irgendwas verändert. Die Etappen bis dahin empfand ich ja als sehr einsam. Ich kannte niemanden und traf unterwegs auch so gut wie niemanden. Südlich der Donau wurde das allerdings anders.
Nachdem mich meine Arbeitskollegin am Morgen nach bei ihr verbrachter Nacht mit geilen Keksen verabschiedet hatte (ich dachte, die waren selbstgemacht… Sie waren aber vom Hofer ;)) bekam ich Besuch von meiner Schwester, die mich die zwei Etappen von Ybbs/Donau bis Amstetten begleiten wollte. Eine sehr schöne und willkommene Abwechslung! Aber auch ein wenig seltsam im ersten Moment, wieder jemanden zum Reden zu haben und auf eine andere Person achten zu „müssen“, nachdem ich zuvor eine ganze Woche alleine unterwegs war. Wie schnell man sich doch an sowas gewöhnen kann… Der Weg nach Amstetten führte leider viel über Asphalt, hatte dafür jedoch herrliche Ausblicke in die Alpen zu bieten! Das hatte ich im Waldviertel etwas vermisst.
Nach knapp 1 1/2 Tagen musste ich mich von meiner Schwester auch schon wieder verabschieden. Was mir nicht besonders leicht fiel. Meine Abschiedstränen müssen wohl etwas meinen Blick getrübt haben, habe ich mich auf dem Weg vom Bahnhof raus aus Amstetten doch prompt verlaufen… Die extra Kilometer bei Hitze auf Asphalt hätte ich mir zwar gerne erspart, aber was soll’s?! Kaum zurück am richtigen Weg gab’s dafür eine feine Erfrischung zur Selbstbedienung. Das erfreut des Wanderers Herz!
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Obwohl meine Schwester schon wieder Zuhause war, ging meine Zeit mit lieben und mir bekannten Menschen nahtlos weiter. Die nächste Nacht habe ich in Euratsfeld bei einer alten Bekannten verbracht. Mit ihr gemeinsam habe ich vor vielen Monden eine Ausbildung im Waldviertel gemacht. Seit unserem Abschluss gut 10 Jahre zuvor hatten wir uns nicht mehr gesehen. Dass meine Wanderroute fast genau an ihrem Zuhause verläuft und wir uns auf diesem Wege wiedergetroffen haben, war richtig schön!
Tags darauf hat mich meine Mutter in ihr Auto gepackt und mich direkt von Euratsfeld nach Waidhofen/Ybbs kutschiert, wo wir den Tag zusammen verbracht haben. So habe ich zwar zwei Etappen samt Sonntagberg übersprungen, aber diese kleine Auszeit vom Gehen war auch sehr angenehm. Waidhofen an der Ybbs ist eine recht sehenswerte, kleine Stadt, die ich zuvor nicht kannte. Sehr schön zum Flanieren.
Nächster Tag, nächste Besucherin. Diesmal hatte mich eine Freundin den Tag über begleitet. Ziel war die Amstettenerhütte. Der Weg dorthin hat uns gut gefallen, endlich ging’s in Richtung der Berge! Die Hütte selbst war jetzt eher weniger spannend. Lage direkt im Wald und ohne Aussicht, aber dafür war ich an dem Abend der einzige Übernachtungsgast, was mir in schnarchfreie Nacht garantierte. Wobei das stimmt so nicht ganz. Die mäßig symphatische Bulldogge der Hüttenpächter grunzte, schnarchte und sabberte in einer Tour. Aber zum Glück in einem anderen Raum… Nachdem meine Freundin am Nachmittag von ihrem Freund per Mountainbike abgeholt wurde und ich mich katzenwäscheartig notdürftigst gereinigt hatte, war es Zeit fürs Abendessen. Ein gscheites Schmalzbrot musste her!
Später am Abend, als ich schon mit Buch warm und gemütlich im Schlafsack lag, kam dann noch ein richtig schöner Regen, den ich bei offenem Fenster so richtig genießen konnte.
Die kommenden Tage wanderte ich dann wieder allein. So schön es war mit all diesen mir so lieben Menschen Zeit zu verbringen, so war ich doch auch wieder froh für mich zu sein. Entlang der Ybbs wanderte ich KM um KM langsam Richtung Nationalpark Gesäuse.
Zeit für mich hieß natürlich auch wieder viel Zeit für alle möglichen Gedanken. Gute, wie un-gute. Einmal während des Gehens kam mir in den Sinn, dass, in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit, wir nun schon verheiratet und genau jetzt auf „Hochzeitswanderreise“ auf dem Olavsweg in Norwegen unterwegs wären. Denn das hatten wir für den Sommer 2020 geplant… Ich musste an das letzte Mal denken als wir uns gesehen hatten. Es war wenige Tage vor meiner Abreise. Termin beim Notar. Die Wiese, die wir gemeinsam als Gartenerweiterung unseres zukünftigen Hauses erst wenige Monate zuvor gekauft hatten, sollte auf mich als alleinige Eigentümerin überschrieben werden. Im Warteraum saß ich neben ihm, unfähig ihn anzusehen. Mir war bewusst: nach diesem Treffen ist es endgültig vorbei und danach brauchten wir uns nie wieder zu sehen. Während der Notar den Vertrag verlesen hatte, konnte ich mich kaum mehr zurückhalten. Was erzählte dieser Mann da überhaupt?! Das war für mich in dem Moment un-fass-bar. Ich hätte so unendlich gern seine Hand in meine genommen, um irgendeine Art vom Trost in dieser unwirklichen Situation zu spüren, aber ich wusste dann würde ich in Tränen ausbrechen. Also ließ ich meine Hand wo sie war. Und unterschrieb zuerst. Als ich ihm das Papier rüberschob‘ durchzuckte mich für einen kurzen Moment die Hoffnung und der Gedanke: „Er wird nicht unterschreiben. Es wird schon alles wieder gut werden.“ Draussen am Parkplatz fielen wir uns noch einmal in die Arme. Unter Tränen irgendwelche letzten Worte und Entschuldigungen stammelnd. Welche das waren – ich weiß es nicht mehr. Und schließlich wir sind in unsere Autos gestiegen und damit war unsere mehr als 15 Jahre dauernde gemeinsame Geschichte vorbei…
and you may go, but I know you won’t leave. too many years built into memories.
The Smashing Pumpkins – Crestfallen
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Und, ohne dass ich es wusste, sollte auch meine Wanderung (vorerst) ein baldiges Ende finden. Nach einer Nacht auf der traumhaft gelegenen Ennstaler Hütte im Gesäuse spürte ich irgendwie, dass es jetzt reicht. Den Abend auf der Hütte hatte ich sehr nett mit Irene und Rafi, einem jungen Pärchen aus Wien, bei Bier und einem komischen Kartenspiel verbracht – man musste irgendwie mit verschiedenen Farmtieren handeln… Ich hab verloren. Am nächsten Morgen zwar noch etwas unentschlossen, aber eigentlich doch schon wissend, dass das heute mein letzter Wandertag sein würde, machte ich mich auf den Weg ins Tal.
Da man vom Gesäuse aus jetzt nicht unbedingt großstadt-mäßige Anbindung ans öffentliche Verkehrsnetz hat, habe ich nach einem Mittagessen in Gstatterboden beschloßen noch eine Nacht am Campingplatz in der Nähe zu verbringen und zu versuchen am nächsten Tag nach Hause zu kommen. Was für eine gute Entscheidung! Auch Irene und Rafi kamen später noch und wir verbrachten wieder den Abend zusammen. Diesmal mit einer Flasche Wein, die sie irgendwo aufgetrieben hatten, am Lagerfeuer. Als dann ein paar Leute ringsum noch ihre Gitarren anstimmten und ein wirklich ausgesprochen netter deutscher Typ, von dem ich zwar den Namen nicht mehr weiß, aber, dass er mit seiner Vespa von Stuttgart nach Graz zu seiner Freundin unterwegs war, seine Käsekrainer mit mir teilte, wurde mir bewusst, dass es keinen besseren Abschluss meiner Reise geben konnte. Alles war gut!
Am nächsten Morgen machte ich mich autostoppend, bus/zugfahrend und die letzten paar Meter wieder mit Mamas Auto mitfahrend auf den Weg nach Hause. Ich wusste, ich werde wieder kommen und meinen Weg fortsetzen. Vielleicht wieder allein, vielleicht in Begleitung, aber auf jeden Fall mit offenerem Kopf und Herzen, für all die Schönheiten, die dieser Weg zu bieten hat.
Die letzten Notizen, die ich mir während der Wanderung gemacht hatte, waren folgende: Diese Trennung hat mich in eine veritable Identitäts- und Sinnkrise gestürzt. Ich stehe erst ganz am Anfang, diese Krise zu bewältigen. Und ich habe noch nicht die geringste Ahnung, wohin das Ganze mich führt. Nur das Gefühl, dass alles anders wird – anders werden muss.
Jetzt, nicht ganz ein Jahr später stecke ich gerade mittendrin, meine diversen Krisen zu bewältigen und wohin mich das führen wird weiß ich immer noch nicht. Aber ich weiß, wohin es mich bisher geführt hat – und zwar ein ganzes Stück näher zu mir selbst, als ich es jemals zuvor war! Langsam scheinen sich manche Nebelschleier zu lichten und ich freue mich darauf alles, was da so dahinter liegen mag zu entdecken.
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- 8 Tage unterwegs
- 6 Etappen (eig. 7, aber eine davon mit Auto übersprungen, wegen Faulheit)
- ~125km zu Fuß
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